Jahr: 2020

Link zum Konzert auf YouTube: https://youtu.be/t-WEJQCtwWU

Aus den Herzen zu den Herzen

Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Und besondere Zeiten zwingen uns mitunter, besondere Wege zu gehen. Bereits im ersten Lockdown wurden die Mitglieder des Sängerbunds Schwetzingen 1854 e.V. in ihren Plänen und den vorbereitenden Proben für die Events in 2020 abrupt ausgebremst. Jedoch fanden sich schnell Wege, sich online über die Videoplattform „Zoom“ zu treffen und zumindest in kleinen Gruppen am Portfolio zu feilen.

So wurde die Idee zur ersten komplett virtuell zusammengeschnittenen Veröffentlichung geboren. Im März war es so weit: You’ve Got A Friend von Carol King ging im Arrangement von Chorleiterin Elena Spitzner, gesungen von den SchwetSingers, online. Schon damals war der Ideengeber und ausführende Techniker Sebastian Jaeger, seines Zeichens Kameramann und Regisseur beim RNF, zu dieser Zeit als Volontär beim hessischen Rundfunk tätig und Mitglied des Sängerbunds seit Kinderchortagen. Die hohe positive Resonanz auf den bei YouTube veröffentlichten Clip befeuerte die Motivation der Chormitglieder, sich von COVID-19 nicht unterkriegen zu lassen und nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, die Chöre im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten.

Über Sommer sorgten die Lockerungen des Shutdowns dafür, dass  sich  alle drei Chorgruppen (cOHRwürmer, SchwetSingers und d’accord) – zumindest in Kleingruppen – wieder zum Miteinander-Singen treffen konnte und im September gab es sogar einen kleinen Open-Air-Auftritt vor dem Schwetzinger Lutherhaus. Doch die Freude über das wiedererlebte Miteinander währte nicht lange und alle Hoffnungen auf den einen oder anderen kleinen oder großen Live-Auftritt wurden vom zweiten Rundumschlag gegen die Ausbreitung des Virus zunichte gemacht.

Der Plan, das 52. Weihnachtskonzert bei Kerzenschein durch die Wiederaufführung des musikalisch untermalten Märchenklassikers „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff aus der Feder von Elena Spitzner (Texte: Stefanie Robens) zu zelebrieren, war nicht durchführbar. Doch das Weihnachtskonzert, das in langer Tradition für viele treue Anhänger so etwas wie der Startschuss für Weihnachten ist – nicht zuletzt, weil es zumeist am letzten Adventssonntag aufgeführt wird – einfach ausfallen lassen? Wieder war es Sebastian Jaeger, der die rettende Idee einbrachte und letztlich die Hauptarbeit leistete, um das Konzert doch noch stattfinden zu lassen – so außergewöhnlich wie die ganze Situation in der Pandemie.

Die Sänger des Chores „SchwetSingers“ hatten via Zoom drei neue Weihnachtlieder einstudiert, die er sie nun – unter Einhaltung aller gebotenen Vorgaben und Regeln zur Einschränkung der Virusverbreitung – in Einzelsitzungen an zwei Tagen vor einer sogenannten „Greenscreen“ einsingen ließ und dabei filmte. Mit einer Gesamt-Arbeitsleistung von rund einhundert Stunden schnitt er diese Vorträge zu einem „Auftritt“ zusammen, den er in den Innenraum der evangelischen Stadtkirche Schwetzingen einbettete, die er ebenfalls vorab mit der Kamera aufgezeichnet hatte. Zusätzlich zu diesen drei aufwändig installierten Stücken wurden ältere Aufnahmen aus verschiedenen früheren Konzerten aller Chorgruppen („d’accord“, „SchwetSingers“ und „cOHRwürmer“) in das Video aufgenommen und nicht zuletzt die in Heimarbeit einzeln eingesungenen und von den Eltern gefilmten Lieder des Kinderchores „cOHRwürmer“, durch Sebastian Jaeger und Sängerkind-Vater Martin Kolb ebenfalls zu Gesamtvideos zusammengestellt. Das knapp einstündige Ergebnis dieser engagierten und zeitintensiven Produktion wurde – ganz in alter Tradition – am 20. Dezember 2020 um 17.00 Uhr als Premiere veröffentlicht und hat seither weit über zweitausend Aufrufe in der ganzen Welt vorzuweisen.

Da der Verein mangels Auftritten und Buchungen von Chorvorträgen keinerlei Einnahmen, wohl aber un-reduzierte laufende Kosten hat, wurde dem Patchwork-Konzert ein kleiner Spendenaufruf beigefügt. Die überwältigend hohe positive Rückmeldung durch Zuschauer – ob über Social Media oder persönlichen Kontakt von Chormitgliedern – ist ein großes Lob und Grund zur Freude. Nicht nur haben alle Beteiligten durch die Mitarbeit an diesem Projekt die Möglichkeit genutzt, dem negativen Einfluss durch die coronabedingte Situation ein Stück weit entfliehen zu können, sie haben es auch geschafft, ein positives Signal nach außen zu senden und vielen Menschen einen unverhofften Lichtblick zu verschaffen. Rückblickend war es ein aufregendes, neuartiges und großartiges Unterfangen. Doch bei allem Stolz und aller Begeisterung für das Erlebte und Geschaffene bleibt die Hoffnung, so etwas nie wieder schaffen zu müssen.

Hier geht es zum 52. Weihnachtskonzert bei Kerzenschein auf YouTube

von Kerstin Steinhilper